23 Jän 2017
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red/ag
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Der Flüchtlingsstrom nach Europa hat in den vergangenen beiden Jahren zu einer deutlich gestiegenen Zuwanderung in Österreich geführt: Laut den Zahlen des Bundesministeriums für Inneres beantragten 2015 knapp 89.000 Menschen Asyl in Österreich, 2016 waren es etwas mehr als 42.000 Personen. Aktuell sind fast 28.000 Asylberechtigte aus Nicht-EU-Ländern beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet, 2017 wird diese Zahl laut Prognosen steigen. Die erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt stellt demnach eine der zentralen Herausforderungen in den nächsten Jahren dar.
Eine besondere Rolle kommt dabei den mittelständischen Unternehmen in Österreich zu. Denn Flüchtlinge sind als Arbeitskräfte im österreichischen Mittelstand gefragter denn je: Insgesamt wollen 85 Prozent der österreichischen Unternehmen Flüchtlinge mit Arbeitsberechtigung in ihrem Betrieb anstellen. Das sind insgesamt mehr als 33.000 mittelständische Betriebe. Die Einstellungsbereitschaft ist damit seit dem Beginn der Umfrage im Jänner 2016 (76%) kontinuierlich gestiegen. 57 Prozent würden Flüchtlingen sogar unabhängig von ihrem Asylstatus eine Stelle geben. Befeuert werden diese Pläne durch den seit dem Vorjahr weiter verschärften Fachkräftemangel: Momentan haben drei Viertel (74%) der Unternehmen in Österreich laut eigenen Angaben Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter für offene Stellen zu finden – gleichzeitig wollen aber 29 Prozent in den kommenden sechs Monaten zusätzliche Stellen schaffen.
Das sind die Ergebnisse der aktuellen Umfrage „Flüchtlinge in österreichischen Mittelstandsunternehmen“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Für die Studie wurden insgesamt 900 mittelständische Unternehmen in Österreich im Dezember 2016 telefonisch befragt.
Helmut Maukner, Country Managing Partner von EY Österreich: „Österreichs mittelständische Betriebe sehen in den neuen asylberechtigten Arbeitsmarktteilnehmern in erster Linie eine Chance, den immer drastischeren Arbeitskräftemangel auszugleichen. Viele Betriebe suchen händeringend nach geeigneten Fachkräften für vakante Stellen. Demensprechend ist auch die Bereitschaft, Flüchtlinge anzustellen, so groß wie noch nie. Immer mehr setzen diese Pläne auch in die Realität um: Jedes neunte Mittelstandsunternehmen in Österreich beschäftigt momentan zumindest einen Flüchtling.“
Jedes neunte Unternehmen beschäftigt zumindest einen Flüchtling – in Oberösterreich sind es besonders viele
In absoluten Zahlen arbeitet momentan bei 4.300 mittelständischen Betrieben in Österreich zumindest ein Flüchtling, bei knapp 1.100 sind sogar vier oder mehr beschäftigt. In Oberösterreich sind es besonders viele: Dort haben 16,7 Prozent der Betriebe einen oder mehrere Flüchtlinge angestellt. Dahinter folgen Unternehmen aus der Steiermark (14,6%) und Salzburg (12,4%). In Niederösterreich (4,2%), Kärnten (6,2%) und dem Burgenland (7,4%) finden sich hingegen in den wenigsten Unternehmen Flüchtlinge unter den Beschäftigten.
In Oberösterreichs Betrieben sind Flüchtlinge im Allgemeinen besonders willkommen: Dort würden 93 Prozent der Betriebe Asylberechtigte anstellen. Dahinter folgen Salzburg und Wien (je 89%). Am wenigsten ausgeprägt ist die Bereitschaft, Flüchtlingen eine Stelle im eigenen Betrieb zu geben, bei Unternehmen in Kärnten (79%), Tirol (80%), der Steiermark und dem Burgenland (je 81%).
Österreichs Betriebe fordern bessere Integrationsmaßnahmen
Der Ruf nach gezielten Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen ist weiterhin laut: Immer noch sehen drei von fünf Unternehmen (60%) in Österreich Verbesserungspotenzial, jeder Dritte (33%) sogar starkes. Nur jedes fünfzigste Unternehmen (2%) bewertet die derzeitigen Maßnahmen positiv. Im Vergleich zur letzten Befragung im September 2016 hat sich die Situation aus Sicht der heimischen Betriebe aber zumindest leicht gebessert: Damals orteten sogar 68 Prozent Verbesserungsbedarf.
Dabei sei eine zügige Integration aus Sicht der Befragten besonders wichtig, so Helmut Maukner: „Die österreichischen Betriebe fordern fast flächendeckend eine möglichst rasche Integration von asylberechtigten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Für vier von fünf Unternehmen ist das eine absolute Notwendigkeit. Dafür braucht es aber dringend zielgerichtete und konkrete Integrationsmaßnahmen, die eine große Mehrheit der heimischen Betriebe als unzureichend bewertet.“
Neun von zehn Unternehmen halten eine gelungene Integration von Flüchtlingen in den österreichischen Arbeitsmarkt für wichtig, fast jeder Zweite (45%) sogar für sehr wichtig. Das sind genauso viele wie bei der letzten Befragung im September 2016.
Mehrheit der Betriebe fordert gesteuerte Zuwanderung und Talente-Checks
Dass österreichische Unternehmen im Arbeitsmarkteintritt von asylberechtigten Flüchtlingen eine Chance sehen, vakante Stellen zu besetzen, unterstreicht auch der anhaltend große Wunsch nach gesteuerter Zuwanderung: Diese befürworten fast zwei Drittel (65%) – deutlich mehr als noch vor einem Jahr (55%), aber etwas weniger als zum letzten Befragungszeitpunkt im September 2016 (70%). Einen deutlichen Gesinnungswandel gab es bei Unternehmen aus der Steiermark: Standen diese einer gesteuerten Zuwanderung bei der letzten Befragung noch am kritischsten gegenüber (59%), sind sie aktuell die stärksten Befürworter (71%). Ebenfalls sehr positiv eingestellt sind Unternehmen aus Salzburg (69,5%) und Wien (69,1%). Am wenigsten überzeugt von gesteuerter Zuwanderung sind momentan Unternehmen aus dem Burgenland (55,1%).
Mit der Forderung nach gesteuerter Zuwanderung geht auch eine deutliche Zustimmung zu systematischen „Talente-Checks“ einher. Neun von zehn (89%) Unternehmen in Österreich befürworten die gezielte Erhebung von Qualifikationen unter Flüchtlingen, um Fachkräfte zu finden. Seit Jänner 2016 (77%) ist dieser ohnehin schon hohe Anteil von Befürwortern nochmals deutlich um zwölf Prozentpunkte angestiegen. Besonders laut ist der Ruf nach „Talente-Checks“ in der chemisch-pharmazeutischen Industrie (94,3%), im Energie- und Wasserversorgungssektor (93,3%) und in der Ernährungsindustrie (92,3%).
Nur jedes neunte Unternehmen (11%) hält wenig oder nichts von „Talente-Checks“, zu Jahresbeginn 2016 gab das noch fast jeder Vierte (23%) zu Protokoll. Die stärksten Befürworter für „Talente-Checks“ kommen aus Oberösterreich (95,9%), der Steiermark (93,9%) und Niederösterreich (88,5%).
Mangelnde Deutschkenntnisse weiterhin größtes Einstellungshindernis
Als größte Hürde bei der Einstellung von Flüchtlingen nennen 85 Prozent der Unternehmen mangelnde Deutschkenntnisse – im Vergleich zur Befragung im Jänner 2016 ist diese Zahl um neun Prozentpunkte (76%) angestiegen. Ebenfalls problematisch sei aus Sicht von 54 Prozent (Jänner 2016: 45%) der Befragten eine mangelnde Qualifikation von Flüchtlingen, gefolgt vom hohen bürokratischen Aufwand (44%, Jänner 2016: 47%) bei der Einstellung. Ebenfalls 44 Prozent (Jänner 2016: 45%) sehen die unklare Gesetzeslage während laufender Asylverfahren als Problem. Deutliche Verbesserungen gab es hingegen bei der Planungssicherheit: Bezeichneten vor einem Jahr noch 45 Prozent die schwierige Planung, zum Beispiel aufgrund von möglichen Abschiebungen, als großes Einstellungshemmnis, sind es aktuell nur noch 26 Prozent.
Trotzdem eher negative Auswirkungen durch gestiegene Zuwanderung erwartet
Obwohl die überwiegende Mehrheit der mittelständischen Unternehmen Flüchtlinge anstellen würde, bereiten ihnen die Auswirkungen der gestiegenen Zuwanderung auf die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich immer noch Sorge. Zwar ist der Anteil an Unternehmen, die eher negative Auswirkungen erwarten, seit Jahresbeginn 2016 um vier Prozentpunkte auf 32 Prozent zurückgegangen, allerdings überwiegen, wie schon bei der Befragung im September 2016, die Skeptiker (32%) immer noch gegenüber jenen Unternehmen, die mit positiven Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft durch die gestiegene Zuwanderung rechnen (23%).