24 Feb 2017
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Autor:
red/ag
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Sowohl die Industrie als auch die Energieversorger sehen sich in Europa gegenwärtig mit großen energiepolitischen Herausforderungen konfrontiert: Die Klima- und Energieziele der EU sehen bis 2030 eine Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent vor, die die energieintensive Industrie vor nahezu unlösbare Probleme stellt. Die Strombranche erlebt durch die Energiewende einen tiefgreifenden Umbruch mit Überkapazitäten an volatilen neuen erneuerbaren Energien aus Sonnen- und Windkraft. Wasserstoff, gewonnen aus CO2-freiem Grünstrom, stellt hier ein gewaltiges Potenzial für den Einsatz als Industrierohstoff wie auch zur Energiespeicherung dar. Das Projekt H2FUTURE ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg zur Sektorkopplung zwischen Energie und Industrie.
Bart Biebuyck, Executive Director Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) der Europäischen Kommission, zum Projektstart: „Das FCH JU ist über den Start dieses bahnbrechenden Projektes hocherfreut. H2FUTURE ist eine konstruktive Partnerschaft, die für den Prozess, die Industrie „grüner“ zu machen und gleichzeitig die regenerativen Energien zu nutzen, entscheidend ist.
Dies ist ein maßgeblicher Faktor, um die Industrie sowie die gesamte Branche zur Umsetzung der COP21-Ziele auf den richtigen Weg zu bringen. Nachdem das FCH JU schon 25 Projekte im Bereich der Brennstoffzellen unterstützt hat, blickt man nun stolz auf den Start des wohl ehrgeizigsten Projektes in diesem Sektor: die Umsetzung einer der weltweit größten PEM Elektrolyse-Anlagen.“
Das H2FUTURE Projekt
Für die Umsetzung des Projektes mit dem Ziel, grünen Wasserstoff in einer der weltweit modernsten und größten Elektrolyseanlagen mit Protonen-Austausch-Membran(PEM)-Technologie zu produzieren und den Einsatz des Wasserstoffs als Industriegas sowie den Einsatz der Anlage am Regelenergiemarkt zu testen, stellt das FCH JU rund 12 Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Horizon 2020 EU-Programm zur Verfügung. Das gesamte Projektvolumen beläuft sich auf etwa 18 Millionen Euro für sechs Konsortiumspartner über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren.
Als Kernakteure sind die Unternehmen voestalpine, Siemens und VERBUND im Projekt vertreten. Die Anlage wird am Gelände der voestalpine in Linz errichtet und betrieben. Der erzeugte grüne Wasserstoff wird künftig direkt in das interne Gasnetzwerk eingespeist und damit der Einsatz von Wasserstoff in verschiedenen Prozessstufen der Stahlerzeugung getestet. Technologielieferant für den Protonen-Austausch-Membran Elektrolyseur ist Siemens. Der Projektkoordinator VERBUND liefert Strom aus erneuerbaren Energien und ist für die Entwicklung von netzdienlichen Services verantwortlich. Weitere Partner im Projekt sind die niederländische Forschungsinstitution ECN, die für die wissenschaftliche Analyse des Demonstrationsbetriebes und die Übertragbarkeit auf weitere Industriesektoren verantwortlich ist und der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG, welcher die Einbindung der Anlage in die Regelenergiemärkte unterstützend begleitet. Das österreichische COMET Kompetenzzentrum K1-MET bringt seine Expertise beim Betrieb der Anlage ein und stellt die Einsatzmöglichkeiten im europäischen und globalen Stahlsektor dar.
Mit H2FUTURE werden zentrale Fragestellungen der Sektorkopplung wie die Evaluierung von Potenzialen für den Einsatz von grünem Wasserstoff in den Prozessstufen der Stahlherstellung bearbeitet sowie darüber hinaus wird die Übertragbarkeit der Technologie auf weitere Industriesektoren, die Wasserstoff im Produktionsprozess einsetzen, untersucht. Weiterer Schwerpunkt ist die Einbindung der reaktionsschnellen PEM-Elektrolyse-Anlage in die Regelenergiemärkte durch Entwicklung von Demand-Side-Management-Lösungen, also den Ausgleich von kurzfristigen Schwankungen im zunehmend volatileren Stromnetz durch Lastmanagement bei großen Verbrauchern.
voestalpine auf dem Weg zur CO2-neutralen Stahlerzeugung
Die voestalpine gilt in ihrer Branche bereits seit längerem als Umwelt- und Effizienzbenchmark. Über 2,2 Milliarden Euro hat der Technologie- und Industriegüterkonzern allein in den letzten zehn Jahren nur für den laufenden Betrieb seiner Umweltanlagen in Österreich aufgewendet. „Wir arbeiten konsequent an der Weiterentwicklung unserer Prozesse in Richtung einer schrittweisen De-Karbonisierung der Stahlproduktion, um auch für die zukünftigen Herausforderungen in puncto Klima- und Umweltschutz bestmöglich aufgestellt zu sein“, so Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine AG. Über Brückentechnologien vor allem auf Basis von Erdgas, wie in der neuen Direktreduktionsanlage in Texas, strebt die voestalpine im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte den sukzessiven Ersatz von Kohle durch die Anwendung von alternativen Energieträgern in der Stahlerzeugung an. „Mit der Errichtung der neuen Pilotanlage für die Herstellung von CO2-neutralem Wasserstoff an unserem Standort Linz setzen wir einen weiteren Schritt in Richtung langfristiger Realisierung dieser Technologietransformation in der Stahlindustrie“, so Eder weiter. Voraussetzung dafür seien jedoch die Bereitstellung von ausreichend Energie aus erneuerbaren Quellen sowie politische Rahmenbedingungen, welche eine gesicherte Langfristplanung zulassen.
Siemens PEM-Elektrolyseanlage als Schlüsseltechnologie für Energiezukunft
Die nachhaltige Erzeugung von Strom gewinnt weltweit vor dem Hintergrund knapp werdender Ressourcen an Bedeutung. Mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien soll unter anderem der CO2-Ausstoß deutlich verringert werden. Eine der Herausforderungen ist es, überschüssige Wind- und Sonnenenergie aufzunehmen und bei Bedarf wieder ins Netz einzuspeisen. Siemens hat ein Elektrolysesystem auf Basis der PEM (Proton Exchange Membrane)-Technologie entwickelt, das es durch die Umwandlung von elektrischem Strom in Wasserstoff ermöglicht, große Energiemengen aufzunehmen und zu speichern. Das Elektrolysesystem ist bereits in mehreren Projekten erfolgreich im Einsatz und wird kontinuierlich von Siemens weiterentwickelt. In Linz wird nun die neueste Generation der Technologie mit einer Leistung von 6 Megawatt in einem geschlossenen Zellverbund zum Einsatz kommen. „Der gewonnene Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar, beispielsweise als Grundstoff in der Industrie – wie in Linz, aber auch als Treibstoff in der Mobilität und als Energieträger bei der Strom- und Gasversorgung“, erklärt Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich. Weltweit werden jährlich über 500 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff verbraucht, von denen bislang über 95 Prozent durch einen CO2-lastigen Gasreformierungsprozess hergestellt werden. „Mit Wasserstoff aus Elektrolyse kann dieser CO2-lastige Wasserstoff ersetzt werden, wodurch sich die Emissionsbilanz von industriellen Prozessen stark verbessern lässt. Erfolgt die Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Quellen, ist die Wasserstofferzeugung zudem nahezu klimaneutral.“
VERBUND auf dem Weg zum 100 Prozent CO2-freien Erzeuger
Rund 96 Prozent des VERBUND-Stroms kommen schon jetzt aus erneuerbaren Energien, vorrangig Wasserkraft. Neben Stromerzeugung, -übertragung, -handel und -vertrieb setzt das Unternehmen zunehmend auf den Ausbau energienaher Dienstleistungen für Industrie- und Gewerbekunden wie auch Haushaltskunden. „Mit H2FUTURE setzen wir den Weg zum 100 Prozent CO2-freien Erzeuger konsequent fort. Wir freuen uns über dieses zukunftsweisende Projekt, das die Anliegen der produzierenden Industrie und die effiziente Nutzung sauberer Energie optimal verbindet. Unser gemeinsames Ziel ist die Reduktion der CO2-Emissionen und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich durch den Einsatz neuester, klimaschonender Hochtechnologie“, bestätigt VERBUND-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Anzengruber. „Gerade das Thema Grüner Wasserstoff bietet großes Potenzial für den industriellen Einsatz wie auch als Speichertechnologie, um die volatile Stromerzeugung aus den neuen erneuerbaren Energien auszugleichen und damit optimal in das System zu integrieren.“