Der Klimawandel sowie seine Folgen für unseren Lebensraum sind Realität und stehen gerade erst am Beginn.
In Österreich sind insbesondere verdichtete Stadtgebiete von steigenden Temperaturen betroffen.
Gleichzeitig sind Städte auch Mitverursacher des Klimawandels. Um vorhersehbare Klimaänderungen und den Beitrag von Freiraum- und Gebäudeplanung zur Erhaltung der urbanen Lebensqualität zu beleuchten, lud der Ausschuss Nachhaltiges
Bauen der Kammer der ZiviltechnikerInnen zur Podiumsdiskussion in den Erste Bank Campus.
Unter der Moderation von Stephanie Drlik diskutierten ExpertInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtplanung.
Foto: Maja Zuvela-Aloise, Jürgen Preiss, Erik Meinharter, Stephanie Drlik, Vera Enzi
Maja Zuvela-Aloise, Expertin für Meteorologie und Klimatologie an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, verwies zu Beginn der Veranstaltung auf den deutlichen Anstieg der Temperaturen in den vergangenen Jahrzehnten. Insbesondere in Städten bilden sich in weiterer Folge Hitzeinseln. Klimaszenarien zeigen, dass die Temperaturen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiter ansteigen werden. Für Wien sei bis zur Mitte des Jahrhunderts ein Anstieg der Temperatur um 1° C, bis zum Ende des Jahrhunderts um 2° C bis 4° C zu erwarten. Auswirkungen auf das Leben in der Stadt sind die Folge. Zuvela-Aloise plädiert deshalb auf Hitze-Warnsysteme für StadtbewohnerInnen. Gleichzeitig sei die Stadtplanung durch Entsiegelung von Flächen, die Erhöhung der Reflexionsfähigkeit von Gebäuden, das Schaffen von Freiräumen sowie
von Wasserflächen gefragt, für den Erhalt urbaner Lebensqualität Sorge zu tragen.
So hätten etwa 45 % der Dachflächen in Wien das Potenzial, begrünt zu werden und in Kombination mit weißen Dächern eine Abkühlung des Stadtklimas herbeizuführen. Derzeit werden aber nur 2 % bis 3 % der Dächer in dieser Form genutzt. Eine flächendeckende Umsetzung der Begrünung könnte in Wien eine Temperaturreduktion von 1° C bis 2° C bewirken und somit die Auswirkungen des Klimawandels zum Teil ausgleichen.
Jürgen Preiss, Vertreter der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 Bereich Räumliche Entwicklung, bestätigte das Potenzial, das in der Nutzung von Gebäudeflächen liege: Rund 120 Mio. Quadratmeter Fassaden- sowie 60 Mio. Quadratmeter Dachflächen
würden sich in Wien zur Begrünung eignen. Die Umsetzung erfolge kontinuierlich: So seien in Stadterweiterungsgebieten wie der Seestadt Aspern bereits 60 % der Dächer begrünt.
Weil in Wien der Großteil der Gebäude aber in Privatbesitz stehe, sei Informationsvermittlung derzeit die wichtigste Maßnahme, die zu setzen sei. Er knüpfte mit Erläuterungen zum sogenannten Urban Heat Island Effekt, der Differenz der Temperatur in der Stadt zum Umland, an. Städtische Hitzeinseln bilden sich demnach durch verschiedene klimatische Komponenten wie Verdunstung, Windverhältnisse und Temperatur. Ziel des Urban Heat Islands Strategieplans der Stadt Wien ist die Reduktion der Erhitzung durch begrünte Flächen, offene Wasserflächen und eine Erhöhung der Albedo, also des Rückstrahlvermögens von Oberflächen.
Dass die heißesten Stadtareale jedoch nicht die Erweiterungsgebiete, sondern die stark versiegelten Zentren seien, gab Vera Enzi, Verbandssprecherin des Verbands für Bauwerksbegrünung, zu bedenken. Die große Herausforderung liege in der Maßnahmensetzung in Bezug auf innerstädtische Bestandsgebäude. „Begrünung kostet Geld“ – eine überzeugende Argumentation hinsichtlich der wirtschaftlichen Effektivität sowie der Chancen für den Arbeitsmarkt, Kosten- und Nutzenrechnungen seien deshalb die wichtigsten Instrumente, um die Bauwerksbegrünung voranzutreiben. Denn sämtliche Maßnahmen seien nicht aus Mitteln der öffentlichen Hand leistbar – Privatpersonen müssten ebenso wie Investoren und Unternehmen vermehrt angesprochen werden. Positive messbare Auswirkungen gäbe es nicht nur auf der Mikroklimaebene, sondern auch auf sozialer, ökologischer und sozioökonomischer Ebene zur Genüge.
Wie dies in weiterer Folge in der Praxis der Gestaltung von Grün- und Freiräumen umgesetzt werden kann, zeigte Erik Meinharter, Landschaftsplaner bei PlanSinn Planung & Kommunikation GmbH, anhand einiger Best Practice Beispiele auf. Er plädierte dafür, Ressourcen wie Boden und Wasser besser zu managen, Instrumente der Stadtplanung
neu zu denken und das Schaffen von Naherholungsgebieten im urbanen Raum u forcieren. Denn wenn StadtbewohnerInnen genügend Freiräume zur Erholung zur Verfügung stehen, würden diese in der Freizeit nicht mit ihren Autos die Stadt verlassen.
Klimaschutz und Klimawandelanpassungen gehen somit Hand in Hand. Klimatologische Grundlagen sollten außerdem auf allen Ebenen der Planung einfließen. Einen besonderen Fokus legte Meinharter in seinen Ausführungen auf ein integriertes Wassermanagement, um vermehrt aufkommenden Starkregenereignissen und Dürre gleichermaßen zu begegnen.
Hinsichtlich der Relevanz städtischer Naherholungsgebiete stimmte auch Maja Zuvela- Aloise zu. Auch wenn die maximale Nutzung von Dachflächen zur Begrünung in absehbarer Zeit Wunschdenken bleibe, seien Veränderungen im kleineren Ausmaß voranzutreiben, um die Erhaltung der Lebensqualität zu gewährleisten. Die Gestaltung dieser Freiflächen sollte laut Vera Enzi verstärkt mit Qualitätskriterien reguliert werden, was in Österreich trotz technisch ausgereifter Grundlagen noch nicht üblich sei. Dass in Wien hinsichtlich der Optimierung von Freiflächen noch Luft nach oben sei, bestätigte auch Jürgen Preiss.
Auch seitens der interessierten Bevölkerung sind die Erwartungen an die Stadt Wien groß, was sich an der regen Teilnahme des Publikums zeigte. Verpflichtende Vorschriften und Förderungen zur Schaffung von Gründächern sowie -flächen wurden gefordert. Es dürfe hier nicht an der falschen Stelle gespart werden, da es um die Zukunft des Allgemeinwohls gehe. Dies wäre auch im Interesse aller DiskutantInnen, die Umsetzung könne aber nur Schritt für Schritt mit viel Überzeugungsarbeit und einem gemeinschaftlichen Ansatz erfolgen.
Eine vollständige
Videoaufzeichnung der Diskussion finden Sie
hier.